Kerstin Vornmoor lässt mit ihren Bildkonzepten die Unterteilung in traditionelle Gattungen hinter sich. Malerei, Zeichnung und Drucktechnik vermischen sich zu einer unverwechselbaren Handschrift. Aus der Ferne wie suggestiv monochrome Flächen wirkend, entwickeln ihre Bilder in der Nahsicht ein bewegtes Eigenleben
Figurenumrisse tauchen wie Schemen auf, das Licht stellt filigrane Reliefs frei, die sich ornamenthaft wiederholen: Gesichter, Vögel, Zeichen, Arabesken. Aus einer unbekannten Tiefedes Raums scheinen sie zu kommen - man ist erinnert an das berühmte Höhlengleichnis Platons, in dem die Gefangenen statt der Wirklichkeit nur die Schatten der Dinge und Menschen zu sehen bekommen.
Das besondere Interesse der Künstlerin, die in Vechta geboren wurde und an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und an der École des Beaux-Artes in Toulouse studierte, gehört der Beschäftigung mit Raum und Rauminstallationen. Beim Collagieren von Wänden gibt sie dem Zeichnerischen eine tragende Rolle. Die Zeichnung, mit der Informationen, Gedanken, Gefühle am unmittel barsten ausgedrückt werden können, bestimmt auch das kompositorische Verfahren, wenn sie ihren Aktionsraum auf die Fläche des Tafelbildes begrenzt: Sie überträgt die Motive durch Belichtung auf ein Sieb, das sie dann wie einen Musterstempel zur Vervielfältigung einsetzt.
Die pastose Ölfarbe, aus der sie vorher einen Bildkörper aufgeschichtet hat, presst sich durch das Sieb - das Bild weitet sich so plastisch aus und beginnt zum Relief zu wachsen. Meditation und Erzählung, Kalkül und Zufall, Rapport und individueller Duktus vermischen sich in diesem Arbeitsprozess, an dessen Ende Bilder von überraschender Schönheit und Tiefe stehen. Wer die Motive zu entziffern versucht, findet Bezüge zu Religion und Philosophie ebenso wie zu aktuellen Zeitphänomenen. Auf jeden Fall entdeckt er einen eigenen emotionalen Resonanzraum.
Dr. Irmtraud Rippel-Manß, Oldenburg